Ausgabe 09/19 .:. Mitglieder-Ausgabe
Liebe Leserinnen und Leser,
die Angriffe auf das EU-Gentechnikrecht und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zur Neuen Gentechnik werden immer stärker. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft und die nationale Wissenschaftsakademie Leopoldina wollen mit Hilfe der neuen Gentechnik hergestellte Organismen weitgehend aus dem Gentechnikrecht herausnehmen. Die meisten dieser Organismen würden demnach ohne Risikoprüfung und ohne Kennzeichnung auf den Markt kommen. Bedenken darüber, ob diese Organismen sicher sind, bezeichneten die Wissenschaftsorganisationen als „spekulative Risiken“. Denn ihrer Ansicht nach ist die alte Gentechnik sicher und die neue erst recht. Der Expertengruppe, die diese Stellungnahme erarbeitet hat, gehörten mehrere Forscher an, die Patente auf entsprechende Verfahren und Pflanzen angemeldet haben.
Auch die EU-Kommission und zahlreiche Mitgliedsstaaten steuern auf Deregulierungs-Kurs. Der Ministerrat hat die Kommission beauftragt, bis April 2021 eine Untersuchung „zu dem Status neuartiger genomischer Verfahren im Rahmen des Unionsrechts“ vorzulegen. Parallel dazu soll sie einen Vorschlag mit Maßnahmen erarbeiten, die sich aus der Untersuchung ergeben. Beobachter werten diesen Beschluss als ersten Schritt, die neuen gentechnischen Verfahren aus dem Gentechnikrecht herauszunehmen.
Die Bundesregierung ist bei diesem Thema uneinig und dadurch auf europäischer Ebene handlungsunfähig. Landwirtschaftministerin Julia Klöckner hat sich längst die interessengeleiteten Argumente der Genetchnik-Forscher zu eigen gemacht. Sie verlangt eine „liberalere Handhabung der Zulassung durch den europäischen Gesetzgeber“ und verunglimpft Menschen, die auf das bestehende Recht pochen, als „Berufsablehner“.
Zu Ihnen dürfte demnach Beate Jessel, Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) zählen. Sie plädierte bei einer Anhörung im Landwirtschaftsausschuss des Bundestages für eine angemessene, auf dem Vorsorgeprinzip basierende Risikoabschätzung. Die neuen Methoden seien nur vermeintlich präzise. „Untersuchungen zeigen, dass durch Genomeditierung ein Genom zusätzlich zur gewünschten Editierung auch an entfernteren Stellen, neben und direkt am Zielort in verschiedener Weise verändert werden kann“, schrieb die BfN-Präsidentin in ihrer Stellungnahme für den Ausschuss. Deshalb dürften aus der neuen Gentechnik hervorgegangene Organismen „nicht ungeprüft in Verkehr und in die Umwelt gebracht werden“.
Ebenfalls ein „Berufsablehner“ wäre auch der Rechtsprofessor Tade Matthias Spranger. Er machte den Abgeordneten klar, dass das Vorsorgeprinzip „ein Kardinalprinzip europäischen Umweltrechts ist“. Alle Einwände dagegen „verkennen, dass es sich – anders als das sogenannte ‚Innovationsprinzip’ – nicht um eine marketingtechnische Sprechblase, sondern um ein Rechtsprinzip handelt, das Bestandteil des ‚europäischen Verfassungsrechts ist.“
Ihre kritische Haltung gegenüber der Gentechnik machen immer mehr Unternehmen deutlich, die gentechnikfreie Wertschöpfungsketten aufbauen. Jüngstes Beispiel ist der Lebensmittelhändler Lidl Deutschland. Er bietet bundesweit Tiefkühl-Lachsfilet mit dem „Ohne GenTechnik“-Siegel des VLOG an. Damit lenkt er die Aufmerksamkeit auf ein Sortiment, bei dem die Kunden im ersten Moment nicht an Gentechnik denken. Doch rund 70 Prozent des Lachsfutters sind pflanzlich, ein Großteil davon entfällt auf Soja.
Ihre Ablehnung zeigen auch die Verbraucher, die bewusst immer mehr gentechnikfreie Lebensmittel kaufen. 58 Prozent der Bundesbürger kennen inzwischen das „Ohne GenTechnik“-Siegel. 2016 lag diese Quote noch bei 31 Prozent. Das ergab der Gütesiegel Monitor 2020 des Marktforschungsunternehmens Splendid Research. Die Untersuchung spiegelte auch das hohe Vertrauen wieder, welches das „Ohne GenTechnik“-Siegel bei den Menschen genießt. Wir werden uns dafür einsetzen, dass dies so bleibt und auch die Neue Gentechnik klar als Gentechnik zugelassen und gekennzeichnet werden muss. Denn daran hängt die Zukunft der gentechnikfreien Land- und Lebensmittelwirtschaft.
Wir wünschen Ihnen eine interessante Lektüre.
Ihr VLOG-Team |